Mut zur Heilung
Nach meiner ersten Beziehung, die mehr als nur schmerzend für mich geendet hatte, wusste ich, dass etwas mit mir nicht stimmte.
[Triggerwarnung: Selbstmordgedanken]
Ich erinnere mich ganz genau an einen bestimmten Tag, an welchem ich meine Freundin besuchte, sie aber (laut ihrer Aussage damals) gerade in einer Phase steckte, in der sie Nähe nicht ertragen konnte. Was es tatsächlich war, möchte ich hier nicht aussagen, das ist nämlich nicht meine Geschichte. Jedenfalls lag ich an diesem Tag auf der Couch im Wohnzimmer, während sie in ihrem Zimmer war. Ich weiß nicht wie viel Zeit verging, während ich dort lag und an die Decke starrte. Meine Sicht war verschwommen, ich dachte und fühlte nichts, ich war einfach leer. Es fühlte sich so unnatürlich und seltsam an, dass ich irgendwann meine Hand zu meinem Handy bewegte und nach Depressionen googelte. Tatsächlich fand ich dort die Beschreibung für meinen Gemütszustand als eine Art "Endphase", die schlimmste Stufe der Depression. Wenn du für nichts mehr die Kraft hast, dir wünscht, einfach nicht mehr zu existieren, weil sogar die Vorstellung von Selbstmord dir zu anstrengend vorkommt. Wenn einfach etwas passieren würde, was dein Leben auslöscht oder du dich einfach auflösen könntest. Ich wollte einfach nicht mehr sein. Irgendetwas fraß mich von innen auf, alles schmerzte und doch fühlte ich gar nichts. Nach diesem Tag war ich nicht mehr Dieselbe.
[Trigger Ende]
Mir fiel es zunächst nicht so sehr auf, aber ganze 3 Jahre gingen ins Land und meine Freunde sprachen mich ein zweites Mal darauf an, dass ich bei einem tragischen Tod in einem Film keine Träne vergoss, wenn sogar unsere "härteste" aus der Gruppe Rotz und Wasser heulte. Ich dachte mir nur "naja, die Szene war wohl einfach nicht gut genug geschrieben." Doch sie hatten Recht und ich wusste, dass ich mich anders fühle. Ich fühlte Trauer und Liebe nicht mehr, alles andere war normal. Meine Uroma starb und ich musste mich zwingen, an der Beerdigung zu weinen, damit ich nicht komisch wirkte. Lange verfolgte mich der Gedanke, dass ich vielleicht doch etwas mehr als nur eine kurze depressive Episode mitgenommen hatte. Nach 3 Jahren noch immer in diesem Zustand zu sein, kam mir dann auch nicht mehr normal vor. Ich dachte keinen Tag mehr an meine vorige Beziehung, weil ich dabei nur Wut oder Leere empfand. Ich müsste also doch langsam eine Verbesserung merken. Irgendetwas stimmte nicht.
Ich traute mich nicht danach zu googeln. Ich hatte Angst, dass sich meine Vermutung bewahrheitete und das Wissen, an Depressionen zu leiden, mich noch weiter deprimieren würde. Also mied ich es, so gut ich konnte.
Eins meiner größten Interessen ist die Psychologie und Video Spiele oder Filme im Zusammenhang damit. Ich sah mir also ein Video auf Youtube an, in welchem ein Junge von seiner Erfahrung mit dem Spiel Animal Crossing erzählte, und warum es ihn "heilte". Ich wusste nicht, was ich dadurch lernen würde. Der Junge sprach von meinen Problemen, von meinem Empfinden, von meinen täglichen Struggles. Er beschrieb mein Leben in den letzten 3 Jahren und sagte dann dazu, dass er an Depressionen litt. Animal Crossing gab ihm kleine Aufgaben, die ihm Freude bereiteten, wenn er sie erledigte. Er hatte etwas, worauf er sich jeden Tag freuen konnte, da das Spiel einen jeden Tag mit Veränderungen überraschte. Verdammt. Nun habe ich mich doch selbst diagnostiziert. Es ist also die Wahrheit. Ich recherchierte nun also endlich nach dieser psychischen Krankheit und war verblüfft, wie viel denn noch dahinter steckte.
Alles wofür ich mich in der letzten Zeit gehasst hatte, wie ich mich verändert hatte, lag nicht am Altern, sondern an der Krankheit. Ich war nicht deprimierter als davor, sondern erleichtert. Das hat mich am meisten überrascht.
Mehr über sich selbst zu wissen, ist unglaublich hilfreich. Das bist nicht "du". Dein wahres Ich liegt noch immer tief in dir vergraben. Ich war also immer noch ich, das aufgedrehte, immer lachende Sonnenkind, das dämliche Witze riss und Lebensfreude verspürte. Die Depression hat es einfach nur überschattet.
Ich hätte viel früher danach sehen sollen. Aber ich bin froh, dass ich es überhaupt herausgefunden habe und mich dann dafür entschied, etwas dagegen zu tun. Seitdem bin ich extrem selbstreflektiert und kümmer mich täglich um mein mentales Wohlbefinden.
Hab keine Angst vor deiner Diagnose. Du bist dadurch kein anderer Mensch, du kannst nur deine Probleme benennen und daran arbeiten. Du musst deine Fehler auch nicht loswerden, du kannst aber lernen, wie du es dir leichter machst, Fallen vermeidest und wann und wie oft du Pausen brauchst. Das ist unheimlich wichtig.
Sei also mutig und pass auf dich auf <3
